Workshop November 2017: Theorie trifft Praxis (Melanie Bardian)

Sich gemeinsam, regelmäßig und eng vernetzt mit Promovierenden und Wissenschaftlern aus anderen Ländern austauschen ist eines der Hauptziele des trinationalen Doktorandenkollegs. Umso zentraler sind die halbjährlichen Treffen, die turnusmäßig von den drei Partnern der Doktorandenschule veranstaltet werden. Vom 8. bis zum 10. November tagte das Doktorandenkolleg in Paris. Dort trafen sich das wissenschaftliche Leitungsteam (Prof. Dietmar Hüser, Prof. Hélène Miard-Delacroix und Prof. Andreas Fickers), die TeilnehmerInnen des Kollegs sowie Gast- und NachwuchswissenschaftlerInnen um gemeinsam über das diesjährige Leitthema Raumdiagnosen: Nationales & Transnationales zu diskutieren. Neben dieser theoretisch-methodischen Komponente nahm auch der Blick in die (Berufs-)Praxis einen wichtigen Platz ein.

Jasmin Nicklas und Dr. Christian Wenkel

Die Frage nach den methodologischen und inhaltlichen Besonderheiten und Herausforderungen, die das Bearbeiten transnationaler Forschungsvorhaben mit sich bringt, bildete eine Klammer, die die einführenden Gruppenarbeiten am Mittwochnachmittag und die Vorstellung der Dissertationsprojekte von Jasmin Nicklas (Universität des Saarlandes), Vitus Sproten (Université du Luxembourg) und Sophie Bouiller (Université Paris-Sorbonne) am Donnerstag umfasste. Die Vorträge der Promovierenden wurden von dem Gastwissenschaftler Dr. Christian Wenkel kommentiert. Die Kommentare brachten nicht nur den Vortragenden hilfreiche Tipps für die eigenen Dissertationsprojekte, sondern dem gesamten Plenum interessante Denkanstöße.

Prof. Dietmar Hüser, Vitus Sproten und Dr. Christian Wenkel
Sophie Boullier vor dem Plenum

Zu Beginn unserer Forschung stellen wir uns die Frage: Was möchte ich untersuchen? Dieses „Was“ beinhaltet gleichzeitig auch ein „Wo“. Um den Raum als Analysekategorie fassen zu können, hilft uns das Konzept der Verortung: Wir untersuchen die Akteure, Arenen und Aktanten (Prof. Andreas Fickers) um die Prozesshaftigkeit des Raumes in die Analyse miteinzubeziehen. In den Diskussionen wurde auch deutlich, dass die Kategorie Nation, je nach Forschungsdesign, eine unterschiedlich starke Gewichtung erfährt. Doch auch im regionalen bzw. subnationalen Rahmen muss die Nation als dynamische Kategorie mitgedacht werden, da sie die Strukturen des Raums in großem Maße prägt. Doch sind diese Strukturen niemals statisch: Sich stets wandelnde transnationale Einflüsse und Verflechtungen formen auch die Analysekategorie Nation immer wieder neu.

Der Donnerstag endete mit dem Gastvortrag Histoire et audiovisuel: une expérience personnelle von Prof. Jean-Noël Jeanneney. Der bekannte französische Historiker war unter anderem als Staatssekretär, Direktor der Französischen Nationalbibliothek und Präsident von Radio France tätig. Er machte durch viele spannende Anekdoten deutlich, wie präsent Geschichte in der öffentlichen und politischen Sphäre Frankreichs ist und welche Herausforderungen hier auf uns HistorikerInnen warten. Er plädierte dafür, dass HistorikerInnen ihre Expertisen der Öffentlichkeit zugänglich machen und sich für ein geeintes und friedliches Europa starkmachen. Die Fähigkeit als Historiker aktuelle Themen historisch zu kontextualisieren, um das Hier und Jetzt besser verstehen und einordnen zu können, stellt Prof. Jean-Noël Jeanneney in seinem neuen Buch Le moment Macron unter Beweis.

Prof. Andreas Fickers, Prof. Dietmar Hüser, Prof. Jean-Noël Jeanneney und Prof. Hélène Miard-Delacroix
Prof. Andreas Fickers bei seinem Vortrag

Der Freitag orientierte sich stark an dem Motto Theorie trifft Praxis. Gestartet wurde mit dem Vortrag von Prof. Andreas Fickers zur Verortung des Radios als Medium der Geschichte. Er erläuterte unter anderem die Interferenz zwischen technischen Möglichkeiten, Kommunikationsweisen und -räumen sowie den verschiedenen Akteuren und charakterisierte das Radio als „Ohr zur Welt“ zwischen imaginierter Kollektivität und physischer Einsamkeit. Auch machte er uns NachwuchswissenschaftlerInnen deutlich, dass nicht nur eine theoretische Herangehensweise an das Medium Radio interessant und gewinnbringend ist, sondern dass sich HistorikerInnen dieses Medium für ihre Forschung auch zu eigen machen sollten. Der Historiker als Geschichtenerzähler könne das Radio als Medium des Geschichtenerzählens für sich nutzen. Der Appell: „Machen Sie einen Hörbeitrag! Probieren Sie es aus!“ beendete die Präsentation und schaffte zugleich den gekonnten Übergang zum praktischen Teil. Denn: Wir gingen zum Radio.

Jean Lebrun, renommierter französischer Journalist und Produzent der Sendung La marche de l’histoire, erlaubte uns einen einmaligen Einblick ins Maison de la Radio von Radio France. In verschiedenen Kleingruppen hatten wir die Möglichkeit, die beeindruckenden Räumlichkeiten des Hauses und die faszinierenden Gestalter des Mediums kennenzulernen und hinter die Kulissen dieser gigantischen Rundfunkanstalt und ihres Arbeitsalltags zu blicken. Unter anderem Cécile Aspe (stellvertretende Redaktionsleiterin bei France Culture), Emmanuel Laurentin (Produzent von La marche de l’histoire) und Sonia Devillers (Moderatorin von L’Instant M bei France Inter) ließen uns an ihren Erfahrungen und ihrer Berufspraxis teilhaben. Der Besuch bei Radio France brachte uns spannende Einblicke in ein mögliches Berufsfeld und war der krönende Abschluss unseres zweiten trinationalen Workshops. Schön war’s …

Blick Hinter die Kulissen von France Inter
Der große Konzertsaal im Maison de la Radio

Wie Donner im Hörspiel entsteht

Melanie Bardian, Universität des Saarlandes

Fotos: Jürgen Dierkes, Universität des Saarlandes / Université Paris-Sorbonne

Video: Anna Gvelesiani, Université Paris-Sorbonne / Universität Bonn